Samstag, 20. August 2011

“Freundesland” – Erinnerungen von Rut Brandt

Bei einer Haushaltsauflösung wurde es gefunden – und meine Frau brachte es mit nach Hause. Das Buch von und über Rut Brandt, der zweiten Ehefrau des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt.

Die Norwegerin

1920 wurde sie als Rut Hansen geboren. In Norwegen, in Hamar. Wuchs mit ihren Schwestern dort auf. In ihrem Buch schildert sie eindrucksvoll und detailliert Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend. Ihr schnörkelloser Schreibstil gefällt mir. Ihre Sachlichkeit, aber auch ihre Wärme, die durch die Zeilen schimmert. Wenn es um Freunde geht. Oder um ihre Heimat. Für diese setzt sie sich vehement ein, besonders, als ihr Land von den Deutschen besetzt ist. Sie beteiligt sich an Untergrundaktionen, verteilt Blätter des Widerstandes, wird von der Gestapo verhört.  1942 flieht sie mit ihrer zwei Jahren älteren Schwester Tulla auf abenteuerlichen Wegen nach Schweden.

Willy

Im Exil lernt sie Willy Brandt kennen. Der eigentlich Herbert Ernst Karl Frahm heisst. Willy Brandt ist sein Deckname als Journalist in Skandinavien, den er später als offiziellen Namen annimmt. Die beiden verlieben sich und heiraten 1948. Es war beider zweite Ehe. Ruts erster Ehemann war gestorben.
Nach der Niedellage des Hitlerregimes zug Rut mit nach Deutschland. Diesmal war es umgekehrt, diesmal trug sie Uniform und zählte zu den “Besatzern”. Ihre Erzählungen über das Nachkriegsdeutschland, die Trümmerfrauen und die brachliegende Infrastruktur sind einfach und eindrücklich. Sie setzt sich mit den Entwicklungen ihrer neuen Heimat auseinander. An der Seite von Willy Brandt, der ein unruhiges politisches Leben führte, ist sie mehr der Ruhepol. Aus ihrer Ehe gehen die Söhne Peter, Lars und Matthias hervor.


Die Welt zu Gast

Als Willy Brandt in West-Berlin Regierender Bürgermeister wird, mehren sich auch die Pflichten von Rut für politische Veranstaltungen, Besuche aus aller Welt. Und sie selber geht auch mit auf Reisen. Es ist interessant, ihre Sicht dieser Begegnungen mit Politikern aus allen Herren Ländern zu lesen, auch ihre netten Anmerkungen für persönliche Eigenheiten dieser Menschen. In Berlin erlebt sie den bau der Mauer, später die Luftbrücke und vieles mehr.
Später siedelt die Familie nach Bonn über, ihr Mann wird zuerst Aussenminister, später Bundeskanzler. Immer wieder neu Situationen in politischen und persönlichen Dingen muss und wird sie lernen. Und ist dabei nie nur die Gattin des Politikers, sondern auch fähig zu eigenem Denken und Leben – eine politisch wache Frau.

Schade

In ihrem Buch erzählt sie anschaulich und mitreissend von ihren Begegnungen im Rampenlicht der Öffentlichkeit, von der Entwicklung ihrer Kinder. Aber auch vom Ende ihrer Ehe, nach 32 gemeinsamen, guten aber niemals einfachen Jahren.
Ebenfalls findet man in diesem Rückblick die oft unerträglichen Angriffe von Presse, öffentlicher Meinung und politischen Gegnern. Diese Seite aus der Feder einer Betroffenen zu lesen, erschüttert. Und auch, dass die Ehe dann nicht mehr zu retten war.
Ihr persönliches Fazit über das Leben in zwei unterschiedlichen Ländern lautete: “Norwegen ist das Land meiner Kindheit und meiner Schwestern. Deutschland ist das Land meiner Söhne und Freunde.”

Obwohl das Buch schon 1982 geschrieben wurde (Rut Brandt starb 2006 im Alter von 86 Jahren in Berlin) zeigt es doch aus der Sicht einer Zeitzeugin das Leben in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Ein spannendes und interessantes Buch, welches ich weiterempfehlen kann.

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