Sonntag, 17. Juli 2011

Aus dem Bergwerk auf die Kanzel

Gottes Spuren auf meinem Lebensweg, so heisst ein neues Buch, geschrieben von Siegfried Küttler aus Wilkau-Haßlau in Sachsen.

Wer ist S. Küttler?

Siegfried Küttler – Jahrgang 1930 – hat dieses Buch geschrieben. Es ist speziell. Und mutig. Mit 80 Jahren noch einmal die Erinnerungen der Kindheit, Jugend und der Kriegsjahre heraufzubeschwören ist nicht ohne.

Wer ist dieser S. Küttler, werden sich vielleicht viele Leser fragen? Muss man den kennen? Muss man nicht, sage ich, aber wenn man ihn kennt, dann war und ist es bereichernd fürs eigene Leben… Ich muss es wissen, denn ich kenne ihn:-)

Für uns als Nachkriegsgeneration ist es schon wieder interessant, Menschen aus ihrem Umfeld der damaligen Zeit per Biografie zu begleiten. Wie muss man sich die Kindheit im Nazireich vorstellen, zumal Küttler aus einem christlichen Elternhaus in Reinsdorf bei Zwickau (Sachsen) stammte. Der christliche Glaube bestimmte von klein auf sein Leben, half ihm, sich später bewusst für Gott zu entscheiden und als Christ in drei verschiedenen deutschen Staaten zu überleben.

Wenn man die Schilderungen aus seiner Kindheit und Jugend liest, dann staunt man, wie bewegt und interessant diese Zeit für ihn war. Schule, Aufgaben in der Familie, Berufswahl und -umwege, bis er Zimmerer und später Kumpel unter Tage im Steinkohlebergwerk wurde.

DDR

Küttler schildert anschaulich die Nachkriegentwicklung im Osten Deutschlands, die wirtschaftlichen Engpässe im “Osten”, die Ausbreitung der SED-geführten Gesellschaft, die Zwänge für nichtkonforme Mitglieder des Staates, zu denen er als überzeugter Christ auch gehörte. Die Geschichten und Histörchen bei den Auseinandersetzungen mit staatstreuen Genossen sind ein Genuss für diejenigen Leser, die ähnliches erlebt haben. Der Autor muss und will seinen Glauben im Berufsalltag nicht verstecken, was zu vielen Begegnungen mit Kommunisten führte und ihm neue und gute Glaubenserfahrungen bescherte, denn er erlebt Wunder mit seinem Gott.


Aus seiner Ehe mit Gerda, die 1952 geschlossen wurde, entsprangen insgesamt sechs Kinder. Der Erstgeborene allerdings wurde nur zwei Jahre alt… Küttler schildert Freud und Leid aus dieser Zeit.

Als Evangelist unterwegs

Siegfried Küttler arbeitete 17 Jahre unter Tage. Allein die Schilderungen aus dieser Zeit sind interessant und oft spannend, war das Leben als Kumpel doch ziemlich schwer. Aber auch in dieser Zeit half ihm seine christliche Überzeugung – und er hatte auch das Bedürfnis, viele seiner Kollegen und Vorgesetzten auf ihr Lebensziel anszusprechen. Daraus entwickelte sich dann der Wunsch, seinem Herrn ganz zu dienen, vollzeitlich sich für die Verbreitung der christlichen Botschaft einzusetzen. Ab 1968 würde er die nächsten 40 Jahre landauf und landab die frohe Botschaft von Christus verkündigen. Das war weder einfach, weil er in diese Arbeit erst hineinwachsen und Erfahrungen sammeln musste und ebenfalls mit vielen Widerständen eines atheistischen Staates verbunden. Aber Küttler liess sich in all den Jahren nicht entmutigen, für seine Überzeugung unterwegs zu sein. Viele Erinnerungen mit getroffenen Menschen und veränderten Mitbürgern werden im Buch geschildert.

Zu spannenden Zeiten gehören auch das Schmuggeln von Bibeln, das Überwachtwerden von der Staatssicherheit. Seine spätere umfangreiche Akte belegen ganz viele einzelnen Aktivitäten, die von Spitzeln notiert und weitergeleitet wurden.

Die christlichen Versammlungen

Für den Leser, der sich nicht mit allen Strömungen des christlichen Glaubens auskennt, wird die Glaubensgemeinschaft vielleicht nicht so bekannt sein. Küttler stammte aus diesen Kreisen – und im ganzen Buch gehen die Themen seines persönlichen Lebens und Werdegang mit denen seiner christlichen Gemeinde Hand in Hand. Er schildert sein eigenes Werden und Geprägtsein von bestimmten “Brüdern und Schwestern” der “Versammlung”. Später wird er selber Kinderstunden geben, sich um Jugendliche kümmern, Alte und Kranke liegen ihm bis heute am Herzen. Küttler schildert, wie es trotz des damaligen DDR-Systems möglich wurde, Kinderfreizeiten und Jugendrüsten anzubieten. Er kümmert sich um alkoholkranke Menschen. Sogar ein Altenheim konnte bewirtschaftet und nach der Wende übernommen werden. Sein Herz – und das merkt man vielen Seiten dieses Buches an – galt Gescheiterten, Frustrierten, Einsamen. Für sie opferte er seine Zeit, seine Kraft.

Und auch immer wieder dem Zusammenhalt der christlichen Versammlungen auf dem Gebiet der DDR, die besonders nach der Wende internen Zerreissproben durch unterschiedliche Lehransichten ausgesetzt waren. Für theologisch nicht bewanderte Leser sind manche Argumentationen, die zu Gemeindetrennungen führten,  nicht nachvollziehbar. Man merkt dem Schreiber seine Wehmut und Trauer an, dass die Gemeinden, die er jahrzehntelang mit betreut hat, solche Entwicklungen nahmen.

Lücke

Für interessierte Leser von “Brüderliteratur” schliesst sich mit vorliegendem Buch eine Lücke der sog. “Brüderbewegung” mit den interessanten Details und Entwicklungen der Gemeinden dieser Prägung in den Zeiten der DDR und danach. Ein interessantes Zeitzeugnis liegt hier vor. Das Buch ist spannend zu lesen – ich hatte es in einem Zug an einem Samstag durch:-), es ist echt als Lesestoff zu empfehlen!

Hier ein Link zum Buch

P.S.
Es sei mir noch eine persönliche Anmerkung gestattet: Ich selbst kenne Siegfried Küttler seit meiner Jugendzeit, nahm an Freizeiten, die er auf der Wasserburg in Turow leitete, teil und wurde geprägt durch seinen ansteckenden und fröhlichen Glauben. Gerade in meiner “Sturm- und Drangzeit” ging er verständnisvoll auf den übermütigen Jugendlichen ein und auch später hatten wir noch viele Kontakte. Ohne seinen damaligen Einsatz und sein nachgehendes Interesse lebte ich wahrscheinlich heute nicht in einer intensiven Beziehung mit Gott. Auf diesem Weg einmal mehr herzlichen Dank deinem tollen Einsatz, Siegfried!

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